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Wirtschaftliche Dynamiken

Welche Arten von Verflechtungen lassen sich zwischen lokalen Wirtschaftspraktiken und globalen Ökonomien beobachten?

Welche Koexistenz verschiedener wirtschaftlicher Praktiken lässt sich beobachten, wenn Mobilität und lokale Einbettung zusammentreffen?

Diesen und anderen Fragen gehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen des Forschungsschwerpunktes „Wirtschaftliche Dynamiken“ nach. Sie untersuchen transnationale Netzwerke und deren Ausprägung nicht nur in marktwirtschaftlicher, sondern auch in sozialer, politischer und religiöser Hinsicht, das heißt, es geht letztlich um die Verflechtung von lokalen ökonomischen Praktiken und Logiken auf der einen sowie globalen Wirtschaftsmodellen und Zusammenhängen auf der anderen Seite. Die entsprechenden Projekte basieren auf einer engen Zusammenarbeit mit Forscherinnen und Forschern aus Äthiopien, Zentralasien, dem Kaukasus, Pakistan, Israel, und der Schweiz, die sich jeweils in unterschiedlichen Karrierephasen befinden. Dabei werden die Forschungsergebnisse in Form von Vorträgen und Publikationen zur Diskussion gestellt und im Rahmen von Lehrveranstaltungen sowie der Betreuung von Bachelor-, Magister- und Doktorarbeiten für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses nutzbar gemacht.

 

Abgeschlossene und laufende Drittmittel-Projekte

RessourcenKulturen von Reis und Weizen in Süd- und Zentralasien. Religiöse und (agrar-) ökonomische Dimensionen von Getreide
(Roland Hardenberg, SFB 1070, 2021–2025)

Cultural entrepreneurship and digital transformation in Africa and Asia
(Richard Kuba, als Kooperationspartner BMBF, 2021–2024)

Die Bürokratisierung der afrikanischen Gesellschaften
(Mamadou Diawara, Max Weber Stiftung, 2017–2021)

Die Suche nach einem „guten Leben“. Strategien zur Sicherung des Lebensunterhalts im Iran und in Deutschland
(Mirco Göpfert, Roland Hardenberg, DAAD, 2020–2021)

Informal markets and trade in Central Asia and the Caucasus
(Susanne Fehlings, VolkswagenStiftung 2016–2021)

On the saf/ve side: informal economic associations and future aspirations in the Ethiopian diaspora
(Sophia Thubauville, Elias Alemu, DFG, 2021–2024)

From „poor man’s food“ to „nutri-cereals“: emergence of a new millet assemblage in Odisha, India
(Roland Hardenberg, Förderzeitraum 2021-2023, DFG)


Abgeschlossenes Projekt ohne zusätzliche finanzielle Förderung


Dorf und Stadt in Ozeanien
(Holger Jebens)

 

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Die Einsicht in die grundlegende Bedeutung ökonomischer Interessen, Vorstellungen und Praktiken ist in der Geschichte des Instituts nicht neu. So warnte Frobenius bereits 1921 explizit davor, „Mythen zu untersuchen, ohne das Wirtschaftssystem einzubeziehen“, und dementsprechend sah Adolf Ellegard Jensen in seinem Buch „Das religiöse Weltbild einer frühen Kultur“ (1948) sowie in seinem Hauptwerk „Mythos und Kult bei Naturvölkern“ (1951) eine Verbindung zwischen dem weltweit verbreiteten Mythologem der getöteten Gottheit und der Ökonomie der sogenannten „frühen Pflanzerkulturen“. Die Monographien der Institutsmitglieder, die zwischen den 1930er und 1950er Jahren nach Äthiopien, Indien, Bolivien oder Venezuela reisten, beinhalteten regelmäßig Kapitel, in denen es nach klassischem Muster unter anderem um Landwirtschaft, pastoralen Nomadismus oder Handwerk ging. Ab den 1960er Jahren erschienen in der institutseigenen Schriftenreihe Studien zur Kulturkunde mehr als zwanzig Bände zu wirtschaftsethologischen Themen, darunter zu ökonomischen Rollen in einem liberianischen Dorf (1967), Eisenproduktion im subsaharischen Afrika (1976) und Hirtenarbeit im Niger (1998). Fragen der Ökonomie waren auch Gegenstand mehrerer Aufsätze von Eike Haberland, von den der letzte 1984 im Band 30 der Zeitschrift Paideuma veröffentlicht wurde – einer Festschrift für den Nomadismusforscher Rolf Herzog mit dem Titel „Wirtschaftsethnologische Studien“.

Im Vergleich zu älteren Forschungen liegt das Augenmerk heute stärker auf Prozessen der internationalen Verflechtung und der Globalisierung beziehungsweise des Wandels generell. So geht es zum Beispiel in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Vorhaben um Handelsnetzwerke und Migration zwischen der Sahelzone und Südostasien. Daneben behandeln die von Roland Hardenberg geleiteten Teilprojekte des Sonderforschungsbereiches „RessourcenKulturen“ unter anderem die Folgen von britischem Extraktivismus für die lokale Kultur und Gesellschaft in Spanien, die Kommerzialisierung und Kommodifizierung von religiösen Ressourcen in Süd-und Zentralasien sowie, ebenfalls in Bezug auf Südasien, die Frage, wie sich das globale Ziel einer nachhaltigen Entwicklung auf indigene landwirtschaftliche Praktiken auswirkt.

Mit Unterstützung der Volkswagen-Stiftung untersucht ein interdisziplinäres und internationales Team mit mehr als zwölf Beteiligten, zu denen BA-, MA- und PhD-Studierende ebenso gehören wie erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, in sieben Teilprojekten unter der Nachwuchsgruppenleitung von Susanne Fehlings Kleinhändlerinnen und -händler, informelle Märkte und Handelsbeziehungen in Eurasien entlang der ehemaligen Seidenstraße beziehungsweise im Kaukasus (Georgien und Armenien), in Zentralasien (Kirgistan und Kasachstan) und in China. Ein zusätzliches Modul thematisiert insbesondere die Covid-19-Pandemie beziehungsweise deren Einfluß auf den informellen Handel und auf die individuelle Kooperation innerhalb chinesisch-eurasischer Geschäftsverbindungen. Dabei unterhalten die beteiligten Personen im Kleinhandel komplexe Beziehungen zu verschiedenen staatlichen Institutionen. Sie sind einerseits in lokalen Kontexten verankert, andererseits aber auch international stark vernetzt und sehr mobil. Von daher erscheinen sie als wichtige Agierende im Zuge einer „Globalisierung von unten“.

Ein weiteres international zusammengesetztes Team forscht unter der Leitung von Sophia Thubauville über informelle Spar- und Versicherungsverbände in Äthiopien sowie in der äthiopischen Diaspora in den USA, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Israel und Kenia. Ausgehend von der These, dass in solchen Spar- und Versicherungsverbänden Vorstellungen von einem „guten Leben“ beziehungsweise einer besseren Zukunft zum Ausdruck kommen, untersuchen die Beteiligten, wie sich ökonomische Praktiken und soziale Ordnungen ändern, wenn sie in der Folge von Migration auf neue Rahmenbedingen treffen. Gefördert wird das Projekt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie durch ein zusätzliches Postdoc-Stipendium der Gerda Henkel Stiftung. Die Universität Hawassa (Äthiopien) agiert als gleichberechtigte Projektpartnerin mit eigenen Mitteln für Forschung und Ausstattung.

Die Arbeit im Forschungsschwerpunkt „Wirtschaftliche Dynamiken“ soll in den nächsten Jahren ausgebaut und vertieft werden. Dazu plant das Institut im Rahmen der dritten Förderphase des Sonderforschungsbereiches „RessourcenKulturen“ verschiedene Untersuchungen nicht-westlicher Konzepte und Praktiken im Bereich der Ökonomie. Ein zum Abschluss dieses Sonderforschungsbereiches als Grundlagenwerk für die kulturwissenschaftliche Betrachtung von Ressourcen angelegter Sammelband befindet sich in Vorbereitung. Weitere Buchprojekte, an denen das Institut federführend mitwirkt, basieren auf den geschilderten Forschungen über Spar- und Versicherungsverbände in der äthiopischen Diaspora sowie über die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Kleinhandel in Eurasien. Diese Auswirkungen sind auch Gegenstand eines geplanten Anschlussprojektes. Darüber hinaus beteiligt sich das Institut mit einem Vorhaben zum Thema „Extraktivismus, Widerstandsbewegungen und Umweltkonzepte“ an einer von der Ruhr-Universität Bochum und dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum getragenen Initiative, die auf die Einrichtung eines neuen Sonderforschungsbereichs mit dem Titel GeoRessourcenVerflechtungen und WeltAneignungen zielt.

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Als Ergebnis der Überlegungen zu seinen thematischen Schwerpunktsetzungen hat sich das Institut auf vier Bereiche verständigt, die in den kommenden Jahren dazu dienen sollen, wissenschaftliche Kooperationen im Institut zu stärken, Kompetenzen zu bündeln, vorhandene Infrastrukturen effektiver zu nutzen und vor allem auch neue, gemeinsame Forschungsaktivitäten zu generieren. Bei der Festlegung ging es darum, Themen zu identifizieren, die vorhandene Kapazitäten und Kenntnisse berücksichtigen sowie gleichzeitig rezente Entwicklungen in der Kulturanthropologie aufgreifen, und dadurch das Potenzial haben, förderwürdige Forschungsprojekte zu generieren.

 
Archive, Sammlungen und Fachgeschichte

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Kulturanthropologische Archäologie und historische Ethnologie

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Kosmologien und religiöse Praxis

Kosmologien und religiöse Praxis

Wirtschaftliche Dynamiken

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