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Kosmologien und religiöse Praxis

Welche dynamischen Beziehungen und Spannungen gibt es zwischen verschiedenen religiösen Traditionen, zwischen religiösen und nicht-religiösen Bereichen sowie zwischen Kosmologien und religiöser Praxis?

Welchen Einfluss haben Religionen auf die Entstehung von Konflikten, inwieweit bestimmen sie deren Gestaltung und tragen sie möglicherweise dazu bei, dass Konflikte durch Aushandlungen beigelegt werden? 

Dies sind nur einige der Fragen, die im Forschungsschwerpunkt „Kosmologien und religiöse Praxis“ behandelt werden. Mit dem Phänomen des christlichen Fundamentalismus, dem Zusammenhang zwischen Hindu-Religionen und indischem Königtum sowie Veränderungen des gelebten Islam stehen in den entsprechenden Projekten verschiedene Themen im Fokus, deren Bedeutung in den letzten Jahren auch über den akademischen Rahmen hinaus weltweit zunimmt. Dabei werden Religionen als Arenen verstanden, in denen unterschiedliche und oft auch konfligierende Interessen, Emotionen und Überzeugungen aufeinandertreffen. Es geht mit einer dezidiert religionsethnologischen und praxeologischen Perspektive in erster Linie um Äußerungen und Handlungen, also um das, was die Menschen etwa über ihre Glaubensvorstellungen sagen und darum, was sie im Rahmen von Ritualen und Alltagsleben konkret tun...

 

Abgeschlossene und laufende Drittmittel-Projekte

From „poor man’s food“ to „nutri-cereals“: emergence of a new millet assemblage in Odisha, India
(Roland Hardenberg, Förderzeitraum 2021-2023, DFG)

RessourcenKulturen von Reis und Weizen in Süd- und Zentralasien. Religiöse und (agrar-) ökonomische Dimensionen von Getreide
(Roland Hardenberg, SFB 1070, 2021–2025)

Religiöse Dynamiken in der Kafa Region Äthiopiens
(Alexander Chenchenko)


Langfristiges Projekt ohne zusätzliche finanzielle Förderung

Christlicher Fundamentalismus im südlichen Bergland von Papua-Neuguinea
(Holger Jebens)

 

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Betrachtet man die Geschichte des Instituts, so stehen heutige Forschungen zu religiösen Überlieferungen und Praktiken in einer Tradition, die im Grunde bereits mit Frobenius beginnt: Er stand in engem Austausch mit den Religionswissenschaftlern seiner Zeit wie etwa Karl Kerényi, der wiederum mehrfach in der Institutszeitschrift Paideuma publiziert hat. Eine von Frobenius angelegte Exzerptur zu Motiven der „Weltmythologie“ gehört ebenso zu den Archivbeständen des Instituts wie das auf Hermann Baumann zurückgehende „Afrikanische Mythen- und Märchenarchiv“, das in den 1960er Jahren mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft erweitert werden konnte.

Adolf Ellegard Jensen beschäftigte sich auf der Basis von Forschungsaufenthalten unter anderem in Südäthiopien sowie auf der Molukkeninsel Ceram mit grundlegenden Gemeinsamkeiten in der Entwicklung der Glaubensvorstellungen und religiösen Handlungen fremder Völker. Sein Hauptwerk „Mythos und Kult bei Naturvölkern“ (1951) fand zwar in der zeitgenössischen englischsprachigen Gelehrtenwelt wenig Resonanz, besitzt jedoch aus heutiger Sicht den Rang eines Solitärs. Der Erinnerung an den zweiten Direktor des Frobenius-Instituts sind die 1997 eingerichteten „Ad.E. Jensen-Gedächtnisvorlesungen“ gewidmet, in deren Rahmen bisher unter anderem die „Farbe des Heiligen“ (Michael Taussig, 2004), „Kult und Kunst“ (Fritz Kramer, 2010) sowie Religion als eine besondere Form des Sozialen (Maurice Boch, 2012) behandelt wurden.

Auf Jensen folgten C.A. Schmitz, renommierter Neuguinea-Spezialist und Herausgeber eines Sammelbandes mit dem Titel „Religionsethnologie“ (1964), und Eike Haberland. Dessen Nachfolger Karl-Heinz Kohl veröffentlichte ab Mitte der 1980er Jahre zahlreiche Beiträge zur Religionsethnologie Ostindonesiens, wobei sein Augenmerk vor allem der „Wandlungs-“ und „Widerstandsfähigkeit“ von Lokalreligion galt. Seine Monographie „Der Tod der Reisjungfrau. Mythen, Kulte und Allianzen in einer ostindonesischen Lokalkultur“ erschien 1998 als erster Band in der von ihm begründeten Buchreihe „Religionsethnologische Studien des Frobenius-Instituts“.

Zu den zum größten Teil langfristig angelegten Projekten im Forschungsschwerpunkt „Kosmologien und religiöse Praxis“ gehört Holger Jebens’ Untersuchung melanesischer Cargo-Kulte als einer Sonderform religiös begründeter Befreiungsbewegungen sowie seine auf stationärer Feldforschung basierende Analyse des Verhältnisses von Lokalreligion, Katholizismus und Protestantismus im Bergland von Papua-Neuguinea, die zum Teil Einsichten der sich später etablierenden „Anthropology of Christianity“ vorweggenommen hat. Forschungen von Roland Hardenberg behandeln die Vielfalt der indigenen Religionen Indiens, den Zusammenhang zwischen Hindu-Religionen und indischem Königtum sowie Veränderungen des gelebten Islam unter dem Einfluss verschiedener fundamentalistischer Bewegungen in Zentralasien. Die von ihm im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „RessourcenKulturen“ geleiteten Projekte untersuchen die Bedeutung wirtschaftlicher Praktiken und Vorstellungen für religiöse Institutionen (Kirchen, Moschen und Tempel), Predigten (Christentum, Islam, Hindu-Religionen) und Rituale der Landwirtschaft (tribale Religionen und Islam) in Indien, Iran, Kasachstan und Kirgistan. Im Rahmen dieser und anderer, ebenfalls von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderter Projekte werden Promotionsvorhaben zu religionsethnologischen Themen betreut, Workshops veranstaltet, Seminare durchgeführt und Publikationen zu Themen wie Animismus, Perspektivismus und Ritualökonomie vorgelegt. Ein von Hardenberg mitherausgegebener interdisziplinärer Sammelband mit dem Titel „Speaking to God“ zum Beispiel erscheint voraussichtlich 2023 bei Bloomsbury.

Die Religionsethnologie verfügt zwar im deutschsprachigen Raum über eine lange Tradition, für die unter anderem die Werke von Konrad Theodor Preuß, Carl Strehlow und P.W. Schmidt stehen, sie wird aber in der heutigen universitären Ethnologie beziehungsweise Kulturanthropologie nur noch wenig beachtet. Von daher wächst dem Institut eine Sonderrolle zu. Angestrebt ist allerdings, die entsprechende Forschung nicht nur fortzusetzen, sondern auch zu konsolidieren und auszubauen. So beteiligt sich das Institut zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der Ethnologie und Archäobotanik der Universität Groningen an dem Forschungsverbund „Cereal Cultures in South and Central Asia“, aus dem verschiedene Drittmittelprojekte zur Untersuchung der religiösen Bedeutung von Getreide hervorgehen sollen. Bei einem breit angelegten Forschungskonsortium, zu dem neben dem Institut und dem Forschungskolleg Humanwissenschaften verschiedene Fachbereiche der Goethe-Universität gehören, geht es unter dem Titel „Dynamiken des Religiösen“ um Prozesse des Verstehens und Missverstehens zwischen den monotheistischen Schriftreligionen sowie zwischen diesen, anderen religiösen Überlieferungen und der säkularen Welt. Aus diesem Konsortium entsteht zurzeit eine Initiative für die Gründung eines Zentrums zur Untersuchung von religiösen Dynamiken im Rahmen der „Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz“. Die Gründung einer weiteren Einrichtung, nämlich eines Käthe-Hamburger Kollegs zu dem Thema „Toxische Religionen“, wird gegenwärtig von Roland Hardenberg und anderen Wissenschaftlern des Fachbereichs Geschichte und Philosophie geplant.

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Als Ergebnis der Überlegungen zu seinen thematischen Schwerpunktsetzungen hat sich das Institut auf vier Bereiche verständigt, die in den kommenden Jahren dazu dienen sollen, wissenschaftliche Kooperationen im Institut zu stärken, Kompetenzen zu bündeln, vorhandene Infrastrukturen effektiver zu nutzen und vor allem auch neue, gemeinsame Forschungsaktivitäten zu generieren. Bei der Festlegung ging es darum, Themen zu identifizieren, die vorhandene Kapazitäten und Kenntnisse berücksichtigen sowie gleichzeitig rezente Entwicklungen in der Kulturanthropologie aufgreifen, und dadurch das Potenzial haben, förderwürdige Forschungsprojekte zu generieren.

 
Archive, Sammlungen und Fachgeschichte

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Kulturanthropologische Archäologie und historische Ethnologie

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Kosmologien und religiöse Praxis

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Wirtschaftliche Dynamiken

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