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Kulturanthropologische Archäologie und historische Ethnologie

Welche kulturellen Dynamiken haben in Afrika über Jahrhunderte zur Diversität verschiedener Bevölkerungsgruppen sowie zu Stadtentwicklung, Staatenbildung und Handel beigetragen?

Wie äußert sich die Interaktion zwischen indigenen und externen agierenden Personen beim Umgang mit Ressourcen in Asien in politischer, sozialer und kultureller Hinsicht und wie beeinflusst diese Interaktion langfristig die dominanten Formen von Ernährung und Wirtschaftsweise?

Diese und andere Fragen stehen im Zentrum von Forschungsprojekten, die den Reichtum menschlicher Kulturen in seiner aktuellen Vielfalt ebenso untersuchen wie in seiner Veränderung durch die Zeit. So werden zum Beispiel Themen wie das menschliche Zusammenleben und das Verhältnis zwischen menschlichen Kulturen und ihrer natürlichen Umwelt, nicht nur hinsichtlich der Gegenwart, sondern auch in diachroner Perspektive sowie in Bezug auf andere Epochen speziell unter archäologischen und historischen Aspekten in den Blick genommen. Die entsprechenden Projekte setzen auf lokale Partizipation und auf lokales Wissen zur Vergangenheit, sie sind ergebnisoffen sowie multidisziplinär und sie zielen letztlich darauf, das Methodenspektrum der Kulturanthropologie zu erweitern.

 

Abgeschlossene und laufende Drittmittel-Projekte:

From „poor man’s food“ to „nutri-cereals“: emergence of a new millet assemblage in Odisha, India
(Roland Hardenberg, Förderzeitraum 2021-2023, DFG)

Die Tschadseeregion als Wegekreuz. Erste Untersuchungen zu Archäologie und mündlichen Überlieferungen des frühen Kanem-Borno Reiches und dessen innerafrikanischen Verbindungen
(Carlos Magnavita, Dangbet Zakinet, DFG 2019 2024)

Kulturelle Verflechtungen am unteren Guadalquivir. Interagierende RessourcenKulturen und sozio-kultureller Wandel im Süden der iberischen Halbinsel
(Martin Bartelheim, Roland Hardenberg, SFB 1070, 2021–2025)

Lehnwörter und Tauschobjekte. Archäo-linguistische Netzwerkanalyse und -modellierung der kulturellen Verflechtungen entlang des Nigers, zwischen Sahara und Regenwald (700 1500 n. Chr.)
(Henning Schreiber, Nikolas Gestrich, DFG, 2019 2021)

The relationship between pottery form and function through lipid and protein analysis in West Africa (Teilprojekt des DFG-Projektes Lehnwörter und Tauschobjekte).
(Soren Feldborg Pedersen, Nikolas Gestrich, 2021–2024)

Markadugu: the relationship of urbanism and trade to state power in the Segou region of Mali
(Nikolas Gestrich, VolkswagenStiftung, 2016–2021)

Nutzung der Ressource Landschaft und soziokultureller Wandel auf der iberischen Halbinsel
(Martin Bartelheim, Roland Hardenberg, Teilprojekt im SFB 1070, 2017–2021)

Salvage crops, „savage“ people: a comparative anthropological and archaeobotanical investigation of millet assemblages in India
(Roland Hardenberg, Niederländische Forschungsgemeinschaft, 2021–2025)

Vom „Arme-Leute-Essen“ zum „Nutri-Getreide“. Zur Entstehung einer neuen Hirse-Assemblage in Odisha, Indien
(Roland Hardenberg, DFG, 2021 2023)


Projekte in der Antragsphase

Planting pomegranate trees, creating gardens, making paradise: from Ancient Mesopotamia to California
(Susanne Fehlings)

Extraktivismus, Widerstandsbewegungen und Umweltkonzepte: Die Verflechtung von Umweltdispositiven im Hochland von Odisha, Indien
(Roland Hardenberg, Teilprojekt in der SFB-Initiative „GeoRessourcenVerflechtungen und WeltAneignungen“ der Montanarchäologie der Universität Bochum, Antragsphase)

 

Weitere Informationen zum Schwerpunkt...

Der Forschungsschwerpunkt „Kulturanthropologische Archäologie und historische Ethnologie“ hat eine lange Tradition am Institut, zielte doch bereits die von Frobenius begründete Kulturmorphologie letztlich darauf, die Entwicklung von schriftlosen Kulturen zu verstehen. Zwar ist die Annahme von Frobenius, dass jede dieser Kulturen die Phasen von Ergriffenheit, Ausdruck und Anwendung durchlaufe, heute allenfalls noch von fachhistorischem Interesse, seine Einsicht in die Geschichtlichkeit Afrikas unterschied ihn jedoch von vielen seiner Zeitgenossen und sollte ihm später den Dank afrikanischer Intellektueller wie etwa Léopold Sédar Senghor eintragen. Darüber hinaus setzte Frobenius zum Beispiel bei Untersuchungen zur Ife-Kultur in Nigeria (1910), zu neolithischen Steingräbern in Algerien (1914) und zu prähistorischen Ruinen der Mwenemutapa-Kultur in Simbabwe (1929) immer wieder dezidiert archäologische Surveys und Grabungen ein.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden am Institut historische Fragen verfolgt, so etwa bei den Forschungen von Frobenius’ Schüler und Nachfolger Adolf Ellegard Jensen und von Hermann Niggemeyer zu Megalith-Kulturen in Afrika, Südostasien und Indien. Mitte der 1980er Jahre trug Eike Haberland wesentlich zur Gründung des interdisziplinären Sonderforschungsbereichs „Kulturentwicklung und Sprachgeschichte im Naturraum Westafrikanische Savanne“ sowie dazu bei, dass an der Goethe-Universität das Seminar für Völkerkunde in „Institut für Historische Ethnologie“ umbenannt wurde. Am Frobenius-Institut unterstützte er archäologische Ausgrabungen in Südalgerien. Haberlands Nachfolger Karl-Heinz Kohl beteiligte sich (ebenso wie nach ihm Holger Jebens) als Antragsteller an dem von Vertreterinnen und Vertretern der Ethnologie und Archäologie gemeinsam betriebenen Graduiertenkolleg „Wert und Äquivalent“, und mit Jens Lüning war ein Vor- und Frühgeschichtlicher lange Jahre erst Mitglied und dann Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Instituts.

Heute beherbergt das Institut mehrere archäologische Drittmittelprojekte, in deren Rahmen eigene Ausgrabungen und Surveys durchgeführt werden. Die Beteiligten untersuchen unter anderem am Beispiel des Kanem-Borno-Reichs und seiner innerafrikanischen Verbindungen vor dem 15. Jahrhundert die Herausbildung staatlicher Politik und urbaner Siedlungssysteme im Sahelgebiet Afrikas. Dabei zeigen sich Prozesse, die zum Teil deutlich andere Muster aufweisen als nahöstlich oder europäische geprägte Modelle und die erheblichen Einfluss auf die heutige politische Kultur der Region ausüben. Ebenfalls untersucht wird der Fernhandel im Westafrikanischen Mittelalter mit dem Beginn von überlokalen Wirtschaftssystemen, Migration und dem Austausch von Waren und Ideen entlang des Nigerflusses, des Sahel- und Savannengürtels und durch die Sahara (AD 500–1500). In den entsprechenden Projekten wird jeweils an der Schnittstelle von Archäologie, schriftlicher Geschichte, mündlicher Überlieferung und – im Fall des Westafrikanischen Fernhandels – historischer Linguistik gearbeitet, so dass sie zu einer methodischen Weiterentwicklung der afrikanischen Vergangenheitsforschung beitragen.

Stärker ethnologisch-archäologisch ausgerichtete Untersuchungen behandeln Landschaften auf der iberischen Halbinsel beziehungsweise die dortigen Verflechtungen (entanglements) zwischen Lokalbevölkerung und Eingewanderten bei der Nutzung von Ressourcen wie vor allem Erzen. Darüber hinaus haben sich Vertreterinnen und Vertreter der Archäologie, Archäobotanik und Kulturanthropologie zu einem multidisziplinären Forschungskonsortium unter Leitung des Instituts zusammengeschlossen und eine eigene Web-Präsentation entwickelt, um im Rahmen mehrerer deutsch-niederländischer Forschungsprojekte die kulturelle und gesellschaftliche Einbettung vor allem von Hirse, Reis und Weizen, das heißt von Getreidesorten zu untersuchen, deren Bedeutung in absehbarer Zeit noch deutlich zunehmen dürfte. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tauschen ihr jeweils spezielles Wissen über die rechtlichen, religiösen und politischen Aspekte des Umgangs mit Hirse, Reis und Weizen aus, wobei das Konzept der „Assemblagen“ als gemeinsamer Fokus beziehungsweise als gemeinsame Sprache dient.

Für die nächsten Jahre ist geplant, die aktuellen Forschungen zu Handel und Globalisierung in Westafrika auf Guinea, Nigeria und den Tschad zu erweitern. Daneben befindet sich eine interdisziplinäre Forschungsgruppe in der Antragsphase, die sich mit der Entstehung und Entwicklung des Staates sowie von Urbanität und Handelsverbindungen im Zentralsahel beschäftigt. Andere Projekte, etwa zu den Anfängen des Anbaus von Perlhirse sowie zu den Auswirkungen von katastrophischen Klimaveränderungen in Mauretanien sind zurzeit ebenso in Planung wie verschiedene Workshops und Publikationen, die bis 2025 die Forschungen abschließen sollen, die gegenwärtig im Rahmen des von Roland Hardenberg mitgeleiteten Sonderforschungsbereichs „RessourcenKulturen“ (SFB 1070) in Indien, Kasachstan und Spanien stattfinden. Darüber hinaus wird die Kooperation mit an der Goethe-Universität tätigen Archäologinnen und Archäologen sowie mit Historikerinnen und Historikern durch gemeinsame Lehrveranstaltungen und die Konzeption gemeinsamer Forschungsvorhaben weiter ausgebaut, wobei insbesondere der bereits vorhandene Afrika-Schwerpunkt des Instituts für Archäologische Wissenschaften im Mittelpunkt steht.

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Als Ergebnis der Überlegungen zu seinen thematischen Schwerpunktsetzungen hat sich das Institut auf vier Bereiche verständigt, die in den kommenden Jahren dazu dienen sollen, wissenschaftliche Kooperationen im Institut zu stärken, Kompetenzen zu bündeln, vorhandene Infrastrukturen effektiver zu nutzen und vor allem auch neue, gemeinsame Forschungsaktivitäten zu generieren. Bei der Festlegung ging es darum, Themen zu identifizieren, die vorhandene Kapazitäten und Kenntnisse berücksichtigen sowie gleichzeitig rezente Entwicklungen in der Kulturanthropologie aufgreifen, und dadurch das Potenzial haben, förderwürdige Forschungsprojekte zu generieren.

 
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