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Repatriierungsforderungen im postkolonialen Diskurs: Die Restitutionspolitik ethnologischer Museen seit 1970

Forschungsprojekt im Rahmen des Exzellenzclusters Die Herausbildung normativer Ordnungen, Förderzeitraum: 2012-2017
Projektleiter: Professor Dr. Karl-Heinz Kohl. Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Sarah Fründt M.A.

Wie reagieren ethnologische und archäologische Museen auf die Repatriierungsforderungen außereuropäischer Staaten? Welche Objekte werden tatsächlich zurückgegeben und mit welchen Argumenten wird in anderen Fällen die Restitution verweigert? Wenig bekannt ist bis heute auch, was aus den repatriierten Artefakten nach ihrer erfolgten Rückgabe geworden ist. In diesem Zusammenhang wird vor allem zu überprüfen sein, ob und inwieweit sich der politisch-symbolische Wert dieser als wesentlicher Bestandteil des eigenen Kulturerbes angesehenen Gegenstände ändert, sobald ihre Restitution erfolgt ist.


Restitutionen geraubten Kulturguts sind in Europa in größerem Ausmaß zwar bereits nach den Napoleonischen Kriege erfolgt, doch sollte es noch fast ein Jahrhundert dauern, bis durch die Haager Landkriegsordnung von 1907 die Beschlagnahme von Kunstgegenständen im Kriegsfall international geächtet wurde. Völker- und privatrechtlich durchgesetzt hat sich die Auffassung von der Rechtswidrigkeit solcher Handlungen und der Notwendigkeit der Restitution geraubten Kulturguts aber eigentlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Das durch die Haager Konvention von 1954 erweiterte Normengefüge zum Schutz kulturellen Erbes wurde mit dem Beginn der Dekolonisierung auch auf entsprechende Vorgänge in den ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika, Asien und Ozeanien übertragen. Postkoloniale Staaten machten seither Forderungen geltend, die sich nicht nur auf die Zurückerstattung der in der Kolonialzeit geraubten und außer Landes gebrachten materiellen Kulturgüter bezogen, sondern auf alle in europäischen Sammlungen aufbewahrten Objekte von kulturhistorischer Bedeutung. Die Restitutionsforderungen waren dabei in aller Regel mit einer Revalidierung der entsprechenden Objekte verbunden. Sie wurden nun (ähnlich wie schon ein gutes Jahrhundert zuvor in den einzelnen europäischen Nationalstaaten) zu Symbolträgern ethnischer und nationaler Identität.


Die Bemühungen um die Wiedererstattung traditioneller Kulturgüter beschränkten sich nicht allein auf die unabhängig gewordenen Staaten, sondern gingen auch von den autochthonen Bevölkerungsgruppen in den ehemaligen europäischen Siedlerkolonien aus. In den USA und in Kanada, in Australien, Neuseeland und Südafrika waren sie mit der Forderung nach Rückgabe sogenannter „human remains“ verknüpft und fanden in dieser Kombination auch in nationale Gesetzwerke Eingang, wie z.B. den Native American Graves Protection and Repatriation Act von 1990. Die rechtliche Gleichbehandlung von kulturellen Artefakten und menschlichen Überresten zeigt den außerordentlich hohen, nicht nur symbolischen, sondern auch emotionalen Wert der Repatriierungsforderungen im postkolonialen Diskurs. Es geht hier nicht nur um die Wiederaneignung des eigenen Kulturerbes, sondern auch um die Möglichkeit, mit Hilfe historischer Beutestücke auf das Unrecht hinzuweisen, das einzelne ethnische Gruppen und die Bevölkerungen ganzer Länder während der Kolonialzeit erleiden mussten.


Rückgabeforderungen wurden auch an die ethnologischen Museen in den Ländern des deutschsprachigen Raums gestellt, die weltweit die größte Dichte dieser Institutionen aufweisen. Dass sie in der Bundesrepublik auf positivere Resonanz stießen als in den meisten anderen ehemaligen Kolonialstaaten ist verschiedentlich behauptet worden und könnte mit den Erfahrungen des Nationalsozialismus zusammenhängen. Doch steht eine vergleichende Studie über die Restitutionspolitik seit den 1970er Jahren bislang noch aus. Absicht des Forschungsvorhabens ist es daher, der Frage nachzugehen, wie ethnologische und archäologische Museen auf die Repatriierungsforderungen außereuropäischer Staaten reagierten. Welche Objekte wurden tatsächlich zurückgegeben? Mit welchen Argumenten wurde in anderen Fällen die Restitution verweigert? Wenig bekannt ist bis heute auch, was aus den repatriierten Artefakten nach ihrer erfolgten Rückgabe geworden ist. In diesem Zusammenhang wird vor allem zu überprüfen sein, ob und inwieweit sich der politisch-symbolische Wert dieser als wesentlicher Bestandteil des eigenen Kulturerbes angesehenen Gegenstände ändert, sobald ihre Restitution erfolgt ist.