Projekt gefördert durch die Deutsche Stiftung Friedensforschung
Förderzeitraum: März 2016 bis Mai 2017
Projektmitarbeiterin: PD Dr. habil. Birgit Bräuchler, Monash University, Australien
Hintergrund: Indonesien beheimatet 50-70 Million der weltweit circa 370 Millionen Indigenen. Unter dem autoritären Suharto-Regime (1966-1998) bot Indonesiens nationales Motto 'Einheit in der Vielfalt' den hunderten unterschiedlichen Kulturen, ethnischen Gruppen und Sprachen nur sehr oberflächlich Raum zur Entfaltung. Inhalte von und Zugang zu Medien – ein Grundpfeiler nationaler Einheit – waren stark eingeschränkt. Wie auch in anderen Regionen der Welt, wurden Indigene Opfer von Landenteignung, Vertreibung und Marginalisierung. Sie hatten keine Stimme in den Medien und ihre Stereotypisierung legitimierte die indonesische Entwicklungs-, Assimilations- und Ausbeutungspolitik, die Ausdruck für Johan Galtungs strukturelle und kulturelle Gewalt ist. Nach dem Rücktritt Suhartos im Jahr 1998 führte die Implementierung von Dezentralisierungsgesetzen zu Demokratisierung und der Wiederherstellung lokaler Autonomie. Die internationale Förderung kultureller und indigener Rechte gibt der Ermächtigung lokaler Gemeinschaften und indigener Gruppen weiteren Rückhalt. Die Liberalisierung der Medien im Post-Suharto-Indonesien führte zu einer Unzahl an neuen Tageszeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehsendern. Der Zugang zum Internet stieg exponentiell an. Trotz dieses generellen Trends wurde erst im Jahr 2013 ein Entwurf für ein Gesetz zur Anerkennung und zum Schutz Indigener vorgelegt. Es gibt noch keine Bemühungen den Forderungen von Artikel 16 der Erklärung der Vereinten Nationen zu den Rechten Indigener nachzukommen, Indigenen das Recht auf eigene Medien und den Zugang zu nicht-indigenen Medien zu gewähren. Nichtsdestotrotz setzt die Indigenenbewegung in Indonesien neue Kommunikationsmedien in ihrem Kampf um Rechte und den Schutz ihrer Kulturen strategisch ein. Diese Transformation der Medien von einem Mittel der Unterdrückung hin zu Empowerment wird von Medienethnologen, Indonesienwissenschaftler und Friedensforschern noch zu wenig beachtet.
Projektschwerpunkt und -ansatz: Das Projekt richtet sein Augenmerk auf entstehende indigene Medienräume in Indonesien und darauf, wie diese zu einer Transformation struktureller wie kultureller Gewalt beitragen, die tief im Umgang des indonesischen Staates mit Indigenen verankert ist. Die zentrale Frage ist, ob und wie der Einsatz von (neuen) Medien konfliktbehaftete Kommunikation und Beziehungen zwischen Indigenen und Staat transformieren und so zur nationalen Friedensbildung beitragen kann. Konkrete Fallstudien aus Java und Ostindonesien liefern die empirische Basis für das Projekt. Ethnographische Feldforschung vor Ort und im Internet ermöglicht die Teilnahme an diesen Medienräumen und eine Untersuchung der sozialen wie politischen Einbettung der im Blickfeld stehenden Medienkulturen. Sie ermöglicht einen kulturell informierten Blick von unten und einen originären Beitrag zur Friedens- und Konfliktforschung. Was Indigenität letztendlich ist und impliziert ist in Wissenschaft und politischen Entscheidungsprozessen umstritten. Das Projekt argumentiert gegen Essentialismus und für die Vorstellung von Indigenität und Kultur als Verhandlungs- und Artikulationsprozesse. Aufgrund der Entwicklung einer globalen Menschenrechtskultur und aktiver Zivilgesellschaften weltweit steigt bei Indigenen das Bedürfnis nach Selbstrepräsentation und indigene Medienprojekte wurden ein wichtiges (gewaltfreies) Mittel, Krieg gegen Fehldarstellungen, Landraub und kulturellen Genozid zu führen. Das Projekt analysiert aufkommende indigene Medienräume in Indonesien sowie ihre Einbettung in eine weitere Medienlandschaft, in der indigene Medien strategisch mit Mainstream-Medien interagieren und so etablierte Machtbeziehungen herausfordern.